Vom Altar in den Ausschuss: Nils Petrat hospitiert im Bundestag

Zehn Jahre war Nils Petrat als Studierendenpfarrer und Dompastor in Paderborn tätig, ehe er sich Ende 2021 für ein Projektjahr verabschiedet hat. Dieses führte ihn nun zu mir in den Bundestag. In unserem Büro suchte er nach neuen Perspektiven – und dem „C“ in CDU.

Für vier Wochen tauschte Nils Petrat Messgewand gegen Sakko und begleitete mich bei meiner Arbeit in Berlin. „Die Politik hat mich schon immer fasziniert“, sagt der 42-jährige Theologe, der einige Parallelen zu seiner Arbeit als Pfarrer sieht. „In beiden Berufen arbeitet man nah am Menschen, hört viel zu und kämpft für seine Überzeugungen.“

In meinem Team recherchierte Petrat Hintergrundinformationen und begleitete mich zu Ausschusssitzungen und Terminen. „Besonders spannend war der Besuch von Maybrit Illners Talkshow, wo Carsten Linnemann Gast war. Da war ich sehr überrascht, dass zwar vor der Kamera hart in der Sache gerungen wurde, die Gäste nach der Sendung aber sehr freundlich miteinander umgingen“, sagt er. Dieser Eindruck habe sich im Bundestag verfestigt. „In den Ausschusssitzungen und auf den Fluren begegnen sich die Abgeordneten kollegial und konstruktiv, auch wenn sie einer ganz anderen Partei angehören“, berichtet Petrat.

Der gebürtige Castrop-Rauxeler kam 2011 nach Paderborn. Als Studierendenpfarrer leitete er zehn Jahre lang die Katholische Hochschulgemeinde (KHG). Im Jahr 2017 wurde er zum Domvikar und Dompastor ernannt. Seit 2020 arbeitete der promovierte Theologe zudem als Richter am Erzbischöflichen Diözesangericht. Einem größeren Publikum wurde Petrat darüber hinaus als Moderator der kirchlichen TV-Sendung „Motzmobil“ auf ProSieben bekannt.

Während seiner Zeit bei uns in Berlin wohnte er im Katholischen Büro, dem Kommissariat der deutschen Bischöfe. „Das Katholische Büro ist sozusagen die Verbindungsstelle der Katholischen Kirche zur Politik“, sagt Petrat. „Denn natürlich sind auch die Kirchen gefragte Ansprechpartner der Politik, wenn es um wichtige Themen wie die Steuerung der Migration, Generationengerechtigkeit oder die Einführung eines Gesellschaftsjahres geht.“

Dementsprechend setzte sich der Theologe während seines Praktikums intensiv mit der Beihilfe zum Suizid auseinander, über die der Bundestag seit knapp zwei Jahren berät. „Bei diesem hochsensiblen Thema habe ich festgestellt, wie groß dann doch der Unterschied zwischen der Politik und der Theologie ist. Die Politik muss immer einen Kompromiss finden, während für uns gewisse ethische Fragen schlicht nicht verhandelbar sind“, berichtet Petrat. „Gleichzeitig ist es eine schöne Erfahrung zu sehen, dass die evangelische und die katholische Kirche in dieser Frage sehr eng zusammenarbeiten.“

Einblicke bekam der Pfarrer zudem auch in unsere Parteiarbeit. „Mich freut, dass die CDU beim Erarbeiten ihres neuen Grundsatzprogramms sehr bemüht um das christliche Menschenbild ist. Das ‚C‘ in CDU darf kein Relikt aus einer alten Zeit sein, sondern sollte immer wieder neu mit Leben gefüllt werden“, wünscht sich Petrat, der selbst keiner Partei angehört. „Dennoch fand ich es sehr lehrreich, so viele Einblicke in wirklich relevante Themen zu erhalten. Denn manchmal habe ich in meiner Kirche den Eindruck, dass wir zu sehr um uns selbst und interne Probleme kreisen.“

Zum Ende des Praktikums haben wir beide festgestellt, dass wir viel voneinander gelernt haben. „Mir hat die offensive und direkte Gesprächsführung im Politikalltag sehr imponiert“, so Petrat.

Ich habe von Nils Petrat gelernt, wie ich Stille und Reflexion im oft hektischen Alltag integrieren kann, um mich nicht in Details zu verlieren. Ich wünsche mir viel mehr interdisziplinären Austausch zwischen der Politik und anderen Berufen. Von solchen Perspektivwechseln profitieren alle Seiten.

 


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